Singen - Lehren       Singing - Teaching

Sehr geehrte Frau Lang,

………Könnten Sie mir bitte erklären, wieviel Luft man für das Singen braucht. Mein Professor sagt immer, dass ich „mehr Atem geben soll“  und dass ein Sänger in der Höhe „halt drücken muss“. Ich hatte ihm entgegnet, dass mich das Luftdrücken müde macht und dass dann viel Luft mit der Stimme mitklingt. Mein Hals ist danach immer sehr trocken ………..
Danke!


A.B.*
*Initialen geändert



Sehr geehrte Frau B.,


vielen Dank für Ihr Vertrauen und für die gesendete Aufnahme, auf der klar zu hören ist, dass Sie nach Aufforderung mit sehr viel Atemdruck in die Höhe gehen. Dadurch verlieren die Stimmlippen den Kontakt und der Klang wird überluftet.

Die Stimmlippen versuchen immer den möglichst an die Anforderungen angepassten optimalen Kontakt zu halten, um gut und gleichmäßig schwingen zu können. Wenn nun mehr Luft als nötig auf vibrierende Stimmlippen trifft, kommt es nach einem kurzen „Kampf“ zur "Kapitulation": die Stimmlippen schließen dann nicht mehr so dicht und es kann zu einem Klang mit Luftbeimischung kommen.  Dies kann sich in der hohen Lage  sehr ungünstig  auf die Tonproduktion auswirken. Zuerst kommt es zu einem überlufteten Klang mit Rand-/Kopfstimme, der dann bei mehr Druck in einen Falsettklang abgleitet, da der Körper den Druck nicht ausgleichen kann. Die im Kehlkopf reibende Luft sorgt für trockene Schleimhäute, Missempfindungen und ist für eine schnellere Ermüdung verantwortlich.

Schwierig finde ich die Vorgabe Ihres Dozenten, der, als Mann, problemlos die Vollstimme höher führen kann und durch das dickere Body Cover einen längeren Stimmlippenkontakt und so natürlich einen Klang mit mehr Kern erzeugt. Dieser erhält jedoch auch ab dem oberen Passaggio durch höheren Atemdruck eine deutlich größere Luftbeimischung im Klang und die Tonhöhe ist ab der Übergangslage zu tief, was er wiederum durch mehr Druck auszugleichen versucht.

Für Frauen- und Männerstimmen gilt, dass rund um das c‘ der Übergang von Voll- zu Randstimme, von dickem zu dünnen Body Cover ist. D.h. ihr Dozent singt Ihnen die Übungen mit Vollstimme oder relativ dickem Body Cover vor und scheint nicht zu wissen, dass das für Frauenstimmen eine oder zwei Oktaven höher so nicht möglich ist. Sie machen das auch bis zu einem bestimmten Punkt richtig und mischen die Stimme gut. Kommt jedoch zu viel Luftdruck auf dem Weg in die Höhe dazu, erzielen Sie das oben geschilderte Ergebnis. Und dies bringt mich zum nächsten Punkt: dem Aufbau des adäquaten subglottischen Drucks, der in jeder Tonlage, bei jeder Lautstärke und mit jeder Klangfarbe den optimalen Stimmlippenkontakt herstellen sollte. Sänger sollten einen Ansaugdruck erzeugen und nicht einen Pressdruck der Bauchdecke.

Ein längerer Stimmlippenkontakt, d.h. eine längere Verschlussphase erzeugt einen intensiveren, „lauteren“ Ton. Ist die Stimmlippen-Verschlussphase und somit der Kontakt der Stimmlippen kürzer wird auch der erzeugte Klang weniger intensiv sein. Lautstärke entsteht folglich durch Masse, nicht durch Luft!

Ihre Frage nach der Quantität der benötigt Luftmenge möchte ich mit den Worten meiner Lehrerin, der Paul-Lohmann-Schülerin Ingrid Bjoner beantworten: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Mein Lehrer Angelo Loforese sagte, dass „die Luft, die im Mund ist zum Singen ausreicht.“


Herzlichst

Petra Lang