Singen - Lehren       Singing - Teaching

Frage 20

Muss der Gesangs-Lehrer an den Studierenden glauben?

Die Aufgabe eines Gesangslehrers ist die Vermittlung von Fähigkeiten – nach bestem Wissen und Können. Jeder Studierende sollte gleichberechtigt behandelt werden. Bevorzugung von einzelnen Studierenden empfinde ich als schwierig. Und an alle Schüler im gleichen Maße „zu glauben“, dürfte wohl die Kapazitäten jedes Dozenten übersteigen.
Laut Definition des Wörterbuches von Oxford Languages bedeutet „glauben“: „für möglich und wahrscheinlich halten, annehmen, meinen … wähnen“.
Ich persönlich möchte „glauben“ in der Kirche und bei der Religion belassen. „Wähnen“ gehört für mich auch nicht in eine Ausbildung. Als Dozentin kann ich die Basis des Singens und des Sängerberufes auf Grund meiner Aus-Fort- und Weiterbildungen und meiner Erfahrungen, die ich während meiner langjährigen Bühnentätigkeit machen durfte, vermitteln. Ob und wie eine Gesangsausbildung in eine Karriere führt lässt sich nicht „meinen – glauben – wähnen.“ Das ist von den Bedingungen des „Marktes“ und dem Können des Gesangsabsolventen abhängig. Fähigkeiten entwickeln und realistische Rückmeldungen geben gehören für mich zur Dozententätigkeit.
Im Rahmen einer Weiterbildung lernte ich einen Sport-Coach kennen, der ganz klar unterschied: solange er als Trainer in der Gruppenbetreuung tätig war, ging es darum, mit jedem jungen Sportler im Rahmen der Gruppe optimal zu arbeiten. Sobald er nur einen einzigen Sportler betreute, tat er alles, um diesem optimale Leistungen zu ermöglichen. Diese Arbeit war deutlich zeitintensiver, ging deshalb auch tiefer, war wirklich ein „Personal Training“ und wurde auch deutlich anders honoriert. Allein die Einzelbetreuung führte dazu, dass sich der Sportler im Mittelpunkt sah.
Personal Training kann sich in der Gesangsausbildung schon wegen des Kostenpunktes kaum durchsetzen. Ich denke auch, dass es nicht notwendig ist, da der Gesangsstudierende seine Bestätigung durch sein Singen und seine Entwicklung spürt und durch ehrliche Feedbacks erhält.
Die Forderung, dass der Gesangslehrer an seinen Studenten „glauben“ muss, halte ich für anmaßend. Ein guter Lehrer wird seinem Schüler immer zur Seite stehen. Singen muss Jeder selbst. Zu „glauben“, dass man – wie in der Schule – von einem Lehrer alles beigebracht bekommt und dass man einfach nur den vorgegebenen Plan abarbeiten muss, wird leider in den seltensten Fällen zu gutem Singen führen. Studieren, Üben und die eigene Balance finden, die zu Ergebnissen führt, die berufliches Singen ermöglichen, muss jeder Sänger selbst. Eine Kollegin sagte einmal, „dass sie das Tier nur zur Wasserstelle führen kann; saufen muss es selbst.“
Herzlichst
Ihre
Petra Lang