Singen - Lehren       Singing - Teaching

Frage 21

Ich studiere im ersten Semester Gesang und komme seit dem Studienbeginn vor 4 Wochen immer mit Halsschmerzen aus dem Hauptfachunterricht. Was ist zu tun?


 

1. Weiß Ihr Professor, dass Sie Halsschmerzen im Gesangsunterricht bekommen? Für ein konstruktives, auf Vertrauen basierndes Schüler-Lehrer-Verhältnis sollte es möglich und zielführend sein, diesen Umstand ansprechen und vielleicht gemeinsam eine Lösung finden zu können.

2. Gab es Beeinträchtigungen oder Veränderungen:
• Liegt ein Infekt, eine Erkrankung oder akuter Schlafmangel vor?
• Ist mit dem Eintritt ins Studium eine Veränderung durch Umzug eingetreten, die Sie „negativ“ beeinflusst?
• Haben Sie Ihre Ernährungsgewohnheiten geändert?
• Hat sich Ihr Trinkverhalten in Bezug auf Wasser seit Ihrem Studiums Beginn verändert, d.h. nehmen Sie ausreichend Wasser zu sich?

3. Diese Punkte könnten Sie für sich klären:
• Wie äußert sich Ihr Halsschmerz?
• Wo spüren Sie die Schmerzen?
• Wann, d.h. nach welcher Zeit im Unterricht, treten die Halsschmerzen auf?
• Bestehen sie nach dem Unterricht und wie lange halten sie an?
• Findet eine Regeneration statt und wenn ja, wie lange dauert sie?
• Gehen sie mit „restlichen, bestehenden“ Halsschmerzen in die nächste Unterrichtsstunde oder haben Sie das Gefühl, dass sie symptomfrei starten und  das die Schmerzen dann wieder im Laufe des Unterrichts  auftreten?
• Können Sie die Schmerzen einer bestimmten Übung oder einem bestimmten Vorgang zuordnen?
• Sicher verwendet Ihr Professor für Sie ungewohnte, neue Übungen oder Bewegungsmuster. Können Sie diese als Auslöser Ihrer Schmerzen bestätigen? Ist dies bei der kompletten Übung der Fall oder erst ab bestimmten Tonhöhen oder Lautstärken? Wenn ja: Wo fangen die Schmerzen an? Eher in der Höhe oder Tiefe und bei welcher Lautstärke?
• Sind es direkt Schmerzen oder beginnt es mit einem Gefühl des Unwohlseins, Druck auf dem Hals oder einem Ziehen? Wo spüren Sie dieses Unwohlsein und wie stark spüren Sie es?
• Ist dieses Gefühl des „Unwohlseins“ verbunden mit einer Bewegungsveränderung, d.h. haben Sie zuvor andere Bewegungsmuster gehabt. Wenn ja, was haben Sie wo und in welcher Intensität verändert?
• Ist diese Veränderung optisch im Gesichtsbereich oder im Körper wahrzunehmen? Wo spüren Sie diese Veränderung?
• Verändern Sie etwas im Halsbereich?
• Spüren Sie Verspannungen im Nackenbereich?
• Verspüren Sie ein Gefühl der Enge im Hals?
• Ist Ihre Kehle eher trocken?
• Räuspern Sie sich öfter oder kommt ein „Hustenreiz“ nach dem Singen?
• Verbinden Sie das Gefühl der Halsschmerzen mit einer klanglichen Veränderung, d.h. spricht die Stimme noch an? Übergehen Sie die Schmerzen und stellen Ihren Stimmklang mit einem anderen Aufwand und einem anderen Bewegungsmuster dar?
• Wird die Stimme müde und wirkt sich das auch auf Ihre körperliche Verfassung aus, d.h. macht sich ab Auftreten der Halsschmerzen auch eine körperliche Müdigkeit bemerkbar?
• Singen Sie mit einem anderen Aufwand als früher und wenn ja: wo haben Sie diesen Aufwand in welcher Intensität verändert?

Bei der Beantwortung dieser Fragen werden Ihnen vermutlich noch weitere Fragen oder Punkte in den Sinn kommen. Für uns Sänger ist es wichtig, dass wir wissen, was, wie, wo und wann in welcher Intensität stattfindet. Es ist zu Beginn nicht leicht, sich auf seinen eigenen Körper zu fokussieren. Das Schärfen der eigenen Wahrnehmung wird im Laufe der Zeit zu einer Sicherheit führen, weil ich nur selbst, wenn ich weiß, wo ich wann was verändern kann und sollte, auch eine Optimierung meines eigenen Singens bewirken kann. Es kann für uns Sänger äußerst hilfreich sein, diese kinästhetische Wahrnehmung zu schärfen.

Mit dieser eigenen Analyse und der Diagnose eines Phoniaters oder eines im Umgang mit Sängern erfahrenen HNO-Arztes, könnte der Sänger dann leichter mit seinem Hauptfachlehrer versuchen,  eine konstruktive Lösung  des Problems zu finden.

Ich würde bei wiederkehrenden Symptomen immer einen HNO-Arzt konsultieren. So bekommt man Klarheit darüber, was wirklich die Ursache der Schmerzen ist und kann u.U. abklären, ob es eine organische Ursache gibt oder ein gesangstechnischer Grund vorliegt. Dies hilft gerade bei Beginn der Ausbildung, zu wissen, was im eigenen Hals los ist, wenn „was“  gespürt wird.

Es kann immer sein, dass bei großen Veränderungen von muskulären Bewegungsmustern  körperliche Rückmeldungen auftreten, welche eine Warnung darstellen sollen. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, gerade beim Beginn der Arbeit mit einem neuen Schüler, sehr sorgfältig und vorsichtig  bei Veränderungen im Bewegungsablauf eventuelle Auswirkungen gut zu beobachten und sehr achtsam mit kleinen, feinen Neuerungen umzugehen. 

 

Es gilt zu bedenken, dass ein Eingriff in ein ja „irgendwie“ funktionierendes System stattfindet. Bei allem gut gemeinten „Optimieren“ gilt es, meiner Meinung nach, darauf zu achten, dass die Stabilität des Systems des Schülers dabei erhalten bleibt. Das erfordert unter Umständen sehr viel Geduld vom Dozenten.

Mein Lehrer Angelo Loforese sagte: „Lerne nicht müde zu werden“ und meine Lehrerin Ingrid Bjoner zitierte immer wieder ihren Lehrer Paul Lohmann, der zu ihr sagte, wenn sie wieder einmal ein Problem hatte oder beim Singen müde wurde: „Nicht es ist schwer, sondern DU bist zu schwer.“