Atemübungen und Singen bei Stimm-"Problemen"
Ich habe wegen Stimmproblemen einen Lehrerwechsel gemacht. Meine neue Lehrerin findet, dass ich so viel beim Singen „Drücke“, dass ich jetzt erstmal 6-8 Wochen lang nur Atemübungen machen und nicht singen soll. Jetzt bin ich natürlich etwas frustriert, mir geht davon ja fast ein ganzes Semester verloren. Ist das Ihrer Meinung nach auch die einzige Möglichkeit meine Stimme neu aufzubauen?
Kann sich eine Stimme von zu viel Fehlspannungen komplett erholen und wenn ja, wieviel Zeit benötigt das und wie sehr helfen mir die Atemübungen dabei?
Vielen Dank für Ihr Vertrauen. Aus der Ferne lässt sich nur verallgemeinernd auf Ihre Fragen eingehen.
Für mich gilt klar zu unterscheiden zwischen „Atmung“ und sängerischem „Atemmanagement“. „Stütze, Appoggio, Verankerung“ sind für mich immer mit der Tonerzeugung verbunden und sollten deshalb auch mit Klang „geübt“ werden.
So gesehen macht es für mich wenig Sinn, für eine längere Zeit „nur“ Atemübungen zu machen und diese nicht mit dem Singen zu verbinden.
Es macht für mich sehr wohl Sinn „auch“ den Atem in Verbindung mit dem Körper zu setzen – dies auch unabhängig vom Tönen. Dies kann, regelmäßig ausgeführt, sehr wohl zur besseren Körperwahrnehmung, Koordination und Regeneration führen, und kann sich unterstützend auf das Singen auswirken. Ich denke hier, ohne Wertung, z.B. an Yoga, Tai Chi, Franklin-Methode® oder verschiedene Atemschulen.
Wir Sänger* haben unser Instrument im eigenen Körper. Wir können am besten „herausfinden“, was „funktioniert“. D.h. nur durch eigenes, konzentriertes, zielführendes Üben werden wir unser Singen optimieren.
Mein Lehrer Angelo Loforese fragte seinen Lehrer, wie er denn herausfinden könne, wann „es“ richtig ist. Die Antwort war: „Lerne, beim Singen nicht müde zu werden.“ Natürlich gab es Übungen, Tipps und Feedbacks von diesem Lehrer.
Der entscheidende Punkt ist, dass jeder Sänger seinen Weg selbst finden muss. Da braucht es vielleicht Jemanden, der von außen „drauf schaut“. Einen Profi der die entsprechenden „Probleme“ nicht nur benennen kann, sondern auch Wege zur Lösung kennt. Und nur der Sänger selbst spürt ziemlich schnell, ob das "Angebot" zielführend ist.
Wir Sänger sind immer wieder mit lieb gewonnenen Gewohnheiten konfrontiert, die dann nicht mehr zu funktionieren scheinen. Das gilt es zu akzeptieren. Jetzt können wir den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass es bald vorbei ist und sich das "Problem" irgendwie von selbst löst. Oder wir versuchen, das "Problem" zu lösen, indem wir Fragen stellen oder uns Hilfe suchen. Und noch einmal: nur wir Sänger spüren selbst zuerst, ob wir einer Lösung näher kommen.
Im Falle von falschen Bewegungsmustern kann das schon eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Beim Singen haben wir zudem noch das akustische Feedback: verbessert sich der Klang? Und wird mein Singen einfacher? Werde ich weniger schnell müde? Hier gilt es zudem, ehrlich zu sich selbst zu sein. Je nach Konstitution kann man schon eine ganze Weile Fehlspannungen abfangen oder aushalten.
Bei „Stimmproblemen“ würde ich immer einen Profi mit hinzu ziehen. Dies könnte nach der phoniatrischen Begutachtung ein Logopäde, Atemtherapeut oder ein entsprechend geschulter Gesangslehrer sein. Wenn es um den beruflichen Anspruch bei einem Hauptfach-Gesangsstudierenden oder Profi-Sänger geht, sollte man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unser Singe-Instrument muss funktionieren, damit wir es auch lange gesund zum Verdienen unseres Lebensunterhaltes benutzen können.
*zur Vereinfachung verzichte ich auf Gendern.